Spuren …

Spuren des Krieges heute

Kriegslücke Silcherstraße 5/7, ehemalige Papierfabrik Abt, an der linken Hauswand kann man noch den Abdruck des vorherigen Gebäudes erkennen, 2019, StANU, Oleg Kuchar
Einschusspuren am ehem. Kriegsspital, 2019, StANU, Oleg Kuchar
Pfeilmarkierungen für Luftschutzräume, Schützenstraße, 2020, StaNU

Pfeilmarkierungen für Luftschutzräume, Schützenstraße, 2020, StaNU
Einschussspuren an der Festungsmauer im Glacis-Park, 2020, StANU
Bäckerei Wanner mit Notdach über dem EG des beschädigten Gebäudes in der Augsburger Straße, 1950er-Jahre. StANU, Heimatmuseum
Gebäude der ehem. Bäckerei Wanner, nach wie vor mit Notdach, 2019, StANU, Oleg Kuchar
500kg-Fliegerbomben-Blindgänger, 2018, THW Neu-Ulm

Spuren des Krieges heute

Neben der Tatsache, dass Neu-Ulms Stadtbild heute noch von der Formensprache der Nachkriegsarchitektur geprägt ist, finden sich im Detail noch sehr viel mehr Spuren des Krieges:

An einigen Gebäuden lässt sich noch durch Pfeile und so genannte Splitterschutztüren vor den Kellerfenstern ablesen, dass sich hier einmal ein Luftschutzkeller befand. An manchen Stellen finden sich noch Einschuss­spuren an Wänden, wie am Kriegsspital oder der Festungs­­mauer im Glacis. An der Poterne 8 in der Schützenstraße ist bis heute noch das aufgemalte Symbol des Roten Kreuzes und der Schriftzug „Rettungsstelle“ zu erkennen. An wenigen Orten ist sogar noch abzulesen, dass ein Gebäude, das hier einmal gestanden haben muss, nur in Teilen und notdürftig wieder aufgebaut worden war, wie in der Silcher- oder in der Augsburger Straße. Auch werden bei Bauarbeiten immer wieder Blindgänger und Bomben­reste gefunden wie zuletzt 2018, als eine 500kg-Bombe am zukünftigen Südstadt-bogen dazu führte, dass 12.000 Menschen evakuiert werden mussten.

Jahre danach

Neuaufbau der Stadt

Luftaufnahme von Neu-Ulm und Ulm im Jahr 1952. Gut zu erkennen sind die vielen Freiflächen, die auch sieben Jahre nach dem Krieg noch vorhanden waren. StANU, Heimatmuseum
Halbfertige Gänstorbrücke mit Verkaufsstand und Ausstellungshütte „Fortschritt Aufbau“ und Verkaufsstand am linken Bildrand, 1949, StANU, Mangold
Kino am Augsburger Tor bei der Eröffnung mit Wandbildern von zerstörtem Vor­gängerkino in Ulm und neuem Standort in Neu-Ulm, 1949, StANU, Mangold
Kartographierung der zerstörten Häuser, 1947, 1948 und 1950 , StANU, Stadtmessungsamt Ulm
So genannter Ellenriederplan, der die vollständige Neuordnung der Innenstadt vorsah, 1945, StANU
Wieder aufgebaute Löwenbrauerei an der Brücke über die Kleine Donau (heute Donaucenter), 1947, StANU, Mangold

Vor allem nach der Währungsreform im Jahre 1948, als wieder ein wirtschaftlich stabiles Finanzsystem etabliert war, konnte mit der Planung und Umsetzung der dauerhaften Wiederherstellung der Stadt begonnen werden. Vereinzelt hatten Eigentümer ihre Gebäude bereits wieder vollständig errichtet, doch das Stadtbild war weiter von Provisorien und geflickten, teilweise reparierten
Ruinen geprägt.

Schon im Sommer 1945 wurde der so genannte „Ellenriederplan“ aufgestellt, der dem Wiederaufbau der Stadt einen neuen Rahmen geben sollte. Teil der Planung war beispielsweise die Verlegung des Bahnhofs weiter in Richtung Süden sowie eine völlig neue Wegestruktur. Hierdurch wartete man zunächst mit Baugenehmigungen in der Kernstadt. Erst als dieser Plan, nach einigen
Diskussionen, wieder verworfen wurde, war es möglich, Neu-Ulm in den Bauformen der Vorkriegszeit neu aufzubauen.

Neben der Sparkasse auf der Insel war auch die gegenüberliegende Löwenbrauerei rasch wieder errichtet worden. Grund hierfür war vorrangig der große Saal für Veranstaltungen, Kino, Theater, aber auch Sitzungen der Verwaltung.

Das erste Kino eröffnete im Jahre 1949 in der Reuttier Straße beim Augsburger Tor. Das überlieferte Bild von der Eröffnung gibt noch zusätzliche Informationen: Auf den gemalten Bildern an der Fassade erkennt man links ein Bild des zerstörten Ulms (am alten Standort des Kino Central) zum Datum des großen Fliegerangriffs. Auf der rechten Seite erkennt man das wieder errichtete Kino, jetzt in Neu-Ulm, allerdings in der vollständigen, zu diesem Zeitpunkt nur geplanten Stockwerksanzahl. Das Gebäude existiert heute noch, allerdings längst ohne Kinobetrieb.

Auf einem Bild der Gänstorbrücke-Baustelle erkennt man eine Hütte mit der Aufschrift „Fortschritt Aufbau“. Hier fand also eine Ausstellung ihren Platz, die die Bürgerinnen und Bürger über den Fortgang der Aufbauarbeiten informierte und Bauprojekte vorstellte.

Jahre danach

Leben und Alltag

Blick von St. Johann Baptist auf den heutigen Rathausplatz. Die Grundmauern des alten Rathaus- und Schulgebäudes sind noch zu erkennen, links die Augsburger Straße, 1951, StANU, Mangold
Großteils schon abgeräumte Ruinen auf der Insel mit provisorischer Holzbrücke. Die Häuser der linken Bildhälfte stehen heute noch. 1948, StANU
Wieder befahrbare Augsburger Straße mit St. Johann Baptist. Im Hintergrund die Ruinen von Schule und Rathaus, 1945, StANU, Heimatmuseum
Augsburger Straße mit Augsburger Tor (1958 abgebrochen), 1946, StANU, Heimatmuseum
Blick in die Ludwigstraße vom Bahnhof, rechts die Ruine der Friedenskaserne, neben der Litfasssäule das heutige Restaurant „Schiff“, 1947, StANU, Heimatmuseum
Blick von St. Johann Baptist in Richtung Insel mit Löwenbrauerei (heute Donau­center) mit neuer Inselbrücke und Sparkassengebäude, 1951, StANU, Mangold

„Niemand kann ermessen, wie das gewesen ist, als man dann wieder abends ins Bett gehen konnte ohne Angst vor Alarm. Man hatte sich tatsächlich danach gesehnt, daß es endlich aufhört. Nach fünf Jahren Krieg war man aufgebraucht.“
So schildert eine Zeitzeugin (Jahrgang 1909) noch im Jahr 1985 das Gefühl der „Stunde Null“.


Die Einwohnerzahl der Stadt war von den 14.000 vor dem Krieg auf knapp 4.000 geschrumpft. Die meisten Bürgerinnen und Bürger hatten in den letzten Kriegs­monaten die Stadt verlassen, um auf dem Land eine sichere Unterkunft zu haben. Viele befanden sich im Kriegseinsatz.
Die in der Stadt verbliebenen Menschen mussten auf Grund der großen Zerstörungen während des Jahres 1945 noch unter freiem Himmel campieren oder sich in den Ruinen Raum suchen. Lebensmittel, Kleidung, Brennmaterial und andere lebenswichtige Dinge waren stark rationiert, weswegen auch der Schwarzhandel blühte.

In einem Bericht der Militärregierung von November 1945 findet vor allem der Mangel an Lehrkräften, das Fehlen von Baumaterial zum Wiederaufbau, Kohle, Munition für die Polizei und Kleidung ihren Ausdruck. Ab dem 12. Oktober war (mit Gewichtsbegrenzung) auch wieder Paketverkehr, zumindest in der amerikanischen Zone, möglich. Die erste regelmäßige Tageszeitung erschien am 10. November 1945. Bis zum Frühjahr 1946 stieg die Einwohnerzahl der Neu-Ulmer Innenstadt wieder auf etwa 10.500 Personen. Schon 1947 fand das erste Volksfest mit einem Bierzelt statt – allerdings noch mit Dünnbier. Von einer „Normalität“ im Alltag konnte selbstredend noch lange nicht gesprochen werden, dennoch erholten sich manche Grundstrukturen des Alltags allmählich.

Ruine des Cafés Fromm, Augsburger Straße, Ecke Hafengasse, im Hintergrund die Ruine der Gaissmaier-Filiale an der Ecke zur Donaustraße, 1946, StANU, Heimatmuseum

Jahre danach

Aufräumarbeiten

Ruine der Friedenskaserne mit neuen Elektroleitungen entlang der Bahnhof­straße, links der Beginn der Ludwig­straße, 1946, StANU, Heimatmuseum
Kran und Schuttsieb beim Abbruch der Friedenskaserne, 1949, StANU, Heimatmuseum
Östliche Bahnhofstraße, 1945. Das Haus wurde wieder aufgebaut. StANU
Abbruch der Friedenskaserne, Abtransport von brauchbaren Ziegelsteinen mit Schubkarre, 1946, StANU, Heimatmuseum
Areal der ehem. Friedenskaserne von St. Johann Baptist aus gesehen, das als eine der ersten größeren Flächen neu bebaut werden konnte. In der Bildmitte das Dach des Restaurant Schiff, ca. 1950, StANU
Kran und Trümmerbahn, ohne Ortsangabe, evtl. Ulm , 1947, StANU, Heimatmuseum

Nachdem erste Gebäude wieder nutzbar gemacht werden konnten und auch die Straßen in weiten Teilen begeh- oder befahrbar waren, galt es Platz zu schaffen für neue Gebäude. Komplett zerstörte Bauten und Ruinen, die nicht wiederherstellbar waren, mussten abgebrochen und die Flächen vom Schutt befreit werden. Bei diesen Arbeiten wurde das Abbruchmaterial sortiert, gesiebt und anschließend mit den Trümmer­bahnen abtransportiert.

Trümmer und Schutt wurden zum Schließen von Bombentrichtern oder als Untergrund für den Straßenbau verwendet. Aufgrund des Material- und Maschinenmangels waren die Abbrucharbeiten nicht immer so komfortabel, wie auf den Bildern zu sehen ist, sondern mussten rein händisch oder mit wenigen Hilfsmitteln erledigt werden.

Der hier im Fokus stehende Abbruch der Friedenkaserne war wichtig und möglich, da sich das Gelände in öffent­licher Hand befand und damit in der Innenstadt eine große, zusammenhängende Fläche verhältnismäßig rasch mit neuen Wohngebäuden bebaut werden konnte.

Jahre danach

Gebaute Provisorien

Provisorisches Bahnhofsgebäude vor dem Neubau des mittlerweile auch nicht mehr stehenden Bahnhofs, Anfang 1950er-Jahre, StANU, Mangold
Verkaufsstand an der Ecke Augsburger- und Brückenstraße, links im Bild angeschnitten das Möbelhaus Mayer, dessen Neubau bereits abgeschlossen war, 1950, StANU, Heimatmuseum
Blick von St. Johann Baptist auf die Augsburger Straße Ecke Marienstraße. Im Bildhintergrund das bereits wieder errichtete Eckhaus von Betten Renftle, 1951, StANU, Heimatmuseum
Provisorische Bahnhofsbauten vor dem Neubau des Bahnhofs, Anfang 1950er-Jahre, StANU, Mangold
Verkaufsstand Ecke Augsburger- und Brückenstraße, Lageplan mit bereits eingezeichnetem neuen Straßenverlauf, 1949, StANU
Entwurfszeichnung für den heute noch stehenden Verkaufspavillon, 1947, StANU
Heute noch stehender Verkaufspavillon, Insel 7, 2019, StANU, Oleg Kuchar
Bauplan des Verkaufsstands Ecke Augsburger- und Brückenstraße, 1946, StANU

Vor allem der Wiederaufbau, das Fehlen der Baumaterialien und auch der Verkauf der Bausteine aus den Überresten der zerstörten Kasernen sind Thema von Berichten, die sich ab Juni 1945 erhalten haben. Die ganze Stadt wurde zu einer Baustelle. Im Volksmund sprach man davon, dass vor allem „B-M-W“ neu bauen würde: Bäcker, Metzger, Wirte.

Bevor der endgültige Wiederaufbau von Gebäuden in den Fokus rückte, bauten viele Einzelhändler zunächst provisorische Verkaufsräume, auch vor ihren Grund­stücken, auf.

An der nordwestlichen Ecke Augsburger- und Brückenstraße stand ein Verkaufsstand, dessen Geschichte gut dokumentiert ist: Es war wie bei konventionellen Bauanträgen zunächst ein Bauantrag bei der Stadt einzureichen. Daraufhin konnte man, ebenfalls an die Stadtverwaltung, einen Antrag auf Zuteilung des Baumaterials nach Abschätzung stellen. Scheinbar wurde hier damals positiv entschieden, so dass der Verkaufsraum 1946 in Betrieb genommen werden konnte. Er bestand bis ca. 1950, bis die Verkehrsplanungen den Abbruch zur Folge hatte.

Wichtige Versorgungsbauten wie Bahnhof oder Postamt wurden provisorisch errichtet, ehe sie in den späteren Jahren, insbesondere nach der Währungsreform 1948 und dem damit einhergehenden „Wirtschaftswunder“, vollständig in neuer Gestalt errichtet werden konnten.

Stunde Null

Versorgung und Flüchtlinge

Im ehemaligen Offizierskasino an der Donau wurden Heimatvertriebene u.a. untergebracht. Weitere Lager waren in Senden und in Illerberg, 1950, StANU
Im Winter 1945 machten sich Flüchtlinge aus Ostpreußen Richtung Westen nach Deutschland auf den Weg. akg-images
Menschen mit Leiterwägen vor dem Heereszeugamt in Offenhausen. Der Bestand linderte die schlechte Versorgungslage, 1945, StANU
Nicht nur Nahrung war für die Menschen hilfreich. Auch Fahrräder und Einrichtungsgegenstände wurden benötigt, 1945, StANU, J. Brünner
Flüchtlinge mit ihrem nötigsten Hab und Gut. akg-images

Die Nahrungsmittelsituation war in den letzten Wochen des Krieges, wie im restlichen Deutschland auch, sehr angespannt. In Ulm und Neu-Ulm befanden sich aber so genannte Proviantämter des Militärs. Im Ulm stand ein solches am Hauptbahnhof, in Neu-Ulm befand sich das Heereszeugamt im Starkfeld in Offenhausen. Die Bevölkerung begann in den letzten Wochen des Krieges diese Lager und die Güterwaggons zu plündern. Niemand hielt sie auf.

„Beim Heeresverpflegungsamt konnte man sich bedienen. Jeder hat noch so viel herausgeholt und da war wirklich alles da was man so gebraucht hat.“
August Welte

Zur gleichen Zeit begann die Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten, wie beispielsweise dem Sudeten­land, Schlesien, Ostpreußen und Jugoslawien. 12 Millio­nen Menschen wurden aus ihrer Heimat Richtung Deutschland vertrieben. Etwa 12.000 von ihnen kamen in den Altlandkreis Neu-Ulm. Man brachte sie zunächst im Grenzdurchgangslager in Offenhausen in den Gebäuden des alten Wehrmachtsgeländes im Starkfeld unter. Bezeichnenderweise ist das heute noch existierende Gebäude erneut zu einer Flüchtlings-unterkunft geworden. Danach verlegte man die Heimatvertriebenen zusammen mit den Displaced Persons (DPs) in das Übergangslager im ehemaligen Offizierskasino (bis 2019 Barfüßer Brauerei in der Augsburgerstraße).

Gleichzeitig beschlagnahmte man Häuser und Wohnungen, um für amerikanische Familien Platz zu schaffen. Bei der Ludendorff-Kaserne wurde von US-Truppen ein Gefangenenlager eingerichtet und
50.000 deutsche Landser erhielten hier ihren Entlassungsschein.

Herd- & Inselbrücke

Insel ohne Donaubrücke. Über die Treppe gelangte man zur Donaufähre, 1947, StANU, Heimatmuseum
Behelfssteg an der Kleinen Donau, davor die Baustelle der neuen Inselbrücke, im Hintergrund das Sparkassengebäude in dem sich damals auch das Rathaus befand. 1949, StANU, Heimatmuseum
Zerstörte Herdbrücke, 1945, StANU, Mangold
Inselbrücke nach den Luftangriffen und vor der Sprengung durch die Wehrmacht, nach 4. März und vor 23. April 1945, StANU, Heimatmuseum
Donaufähren-Zugang auf der Ulmer Seite, Blick nach Osten, 1946, StANU, Heimatmuseum
Baustelle der neuen Herdbrücke, 1947, StANU, Mangold
Neue Herdbrücke nach der Eröffnung, die am Schwörmontag 1949 stattfand, 1950, StANU

Die wichtigste Verbindung zwischen den Innenstädten Neu-Ulm und Ulm stellt bis heute der Weg über die Insel dar. Dieser führt von Ulm kommend erst über die Herd- dann über die Inselbrücke. Die Herd-brücke war ursprünglich ein gemauertes, dreibogiges Bauwerk, die Inselbrücke eine Stahlfachwerkkonstruktion. Über beide verlief bis 1945 die Straßenbahn. Die Brücken waren bei den Luftangriffen im März 1945 zwar beschädigt worden, aber noch nutzbar. Erst im April wurden sie dann durch die zurückweichenden deutschen Truppen gesprengt.

Herdbrücke
Um die Verbindung zwischen den Städten, zumindest für den Personen- und Warenverkehr, wieder herzu­stellen, richtete man schnell nach dem Krieg einen Fährbetrieb an Stelle der Herdbrücke ein. Der Zugang auf Neu-Ulmer Seite erfolgte über eine Holztreppe neben dem zerstörten Brückenansatz. Im Jahre 1947 wurde mit dem Bau der neuen, dann freitragenden Spannbeton­brücke nach Plänen von Willy Stör (1905 –1997) begonnen. Die Einweihung der Brücke,
wie auch die der Inselbrücke, fand am Schwörmontag 1949 statt.

Inselbrücke
Nach der Zerstörung konnte, wegen der geringen Spannweite des Übergangs, recht bald aus Dachbalken und weiterem Holz ein Behelfssteg für Fußgänger errichtet werden. Dieser bestand auch weiterhin während des Baus der neuen Brücke, da der Straßenverlauf begradigt und die neue Brücke weiter westlich ihren Platz fand. Die fensterlose Wand vom Haus „Insel 5“ und der davor errichtete kleinere Pavillon zeugen heute noch von dieser Straßenverlegung. Die neue Brücke wurde als Beton­brücke errichtet und mit wiederverwendeten Festungsmauersteinen verkleidet.

Gänstorbrücke

Notbrücke aus Holz mit Bau-Seilbahn und Gleisen für Trümmer und Baumaterial, vermutlich. Blick auf Neu-Ulm mit dem Gänstorturm der im Krieg sein Dach ver­loren hatte, 1946, StANU, Heimatmuseum
Alte Gänstorbrücke nach Beschädigung durch Luftangriffe, aber noch vor Sprengung durch deutsche Truppen, 1945, StANU, Mangold
Links die noch stehende provisorische Brücke mit Oberleitungsbus, rechts bereits die im Bau befindliche östliche Hälfte der neuen Spannbetonbrücke, 1949, StANU
Notbrücke aus Holz, im Hintergrund die beschädigte Häuserzeile an der Brückenstraße, 1945, StANU, Welte
Neue Gänstorbrücke und wiederauf­gebaute Gebäude auf Neu-Ulmer Seite, 1954, StANU
Fertiggestellte neue Gänstorbrücke, 1952, StANU, Sammlung Metz

Ihr Schicksal teilt die Gänstorbrücke mit den anderen Donaubrücken der Doppelstadt: Durch die Luftangriffe der Alliierten wurde das 1912 eingeweihte Bauwerk zwar stark beschädigt, aber schlussendlich erst von der zurück­weichenden Wehrmacht am 24. April gesprengt.

1945 /1946 errichteten amerikanische Pioniere eine pro­visorische Brücke, die auch für den Lastenverkehr nutzbar war, über die knapp 80 Meter breite Donau.

Um eine neue, dauerhafte Brücke zu bauen, richteten beide Städte gemeinsam 1949 einen Wettbewerb aus. Der daraus resultierende Siegerentwurf stammt vom Bauingenieur Ulrich Finsterwalder
(1897–1988). Der Bau der neuen Brücke geschah in zwei Bauphasen unter Verwendung der Widerlager des Vorgängerbaus. Zunächst wurden zwei von vier Fahrbahnen errichtet, so dass der Verkehr schon über das neue Bauwerk fahren konnte. Nach deren Fertigstellung verschob man das Schalungs- (oder auch Lehr-) Gerüst seitlich, so dass es sich auch für die zweite Brückenhälfte nutzen ließ.

Durch diese effiziente Bauweise konnte die Brücke bereits am
10. Dezember 1950 eingeweiht werden. Zur feierlichen Verkehrs- übergabe trieben drei als Gänsehirten verkleidete Bauarbeiter
eine Schar Gänse über die Brücke.

Stunde Null

Infrastruktur

Wilhelmstraße als Pfad zwischen den Trümmern, 1945, StANU, Heimatmuseum
Grob geräumte Straße beim Pfaffenbau, 1946, StANU, Heimatmuseum
Zerstörte Waggons im Bahnhofsareal, 1945, StANU, Mangold
Stapeln der verwertbaren Trümmersteine beim Bahnbetriebswerk, 1945, StANU, Mangold
Aufräumarbeiten im Bahnhofsareal und Bahnbetriebswerk, 1945, StANU, Mangold

Bei den Angriffen im März wurde die innerstädtische Infrastruktur nahezu vernichtet. Die letzten großen Zerstörungen ihrer Verkehrswege ereilten die Stadt noch am 5. April bei einem gezielten Angriff mit Bordwaffen auf das Bahnhofsareal. Die Straßen waren schon seit März größtenteils durch die Schuttberge der Häuser blockiert, Strom- und Fernmeldeleitungen, Wasser- und Abwasserrohre ebenfalls. Energie- und Wasserver­sorgung waren damit nicht mehr möglich. Bahngleise wurden durch die Luftangriffe unbenutzbar und das so genannte „fahrende Material“ mitsamt den Lok­schuppen und Bahnhofsgebäuden vernichtet.

Zunächst konnte durch das Abtransportieren von Teilen der Schuttberge ein erstes, nur fußläufig zu nutzendes Wegenetz durch die Innenstadt wieder hergestellt werden. Teils verliefen die Pfade auch über Ruinenberge oder durch zerstörte Gebäude. Allmählich konnten diese Wege auch wieder mit Fahrzeugen genutzt werden, jedoch stark reglementiert: Erlaubt waren Fahrten nur zwischen 5 Uhr morgens und 22.30 Uhr, außerdem hatten Fahrzeuge der Alliierten immer Vorfahrt. Um den Materialtransport zu sichern befreite man mit großer Priorität die Gleisanlagen von Schutt und aus vorhandenem Material schaffte man wieder ein zusammen­hängendes Schienennetz.

Stunde Null

Was ist noch brauchbar?

Insel mit Stapel Trümmersteine, provisorischer Donausteg, 1947, StANU, Heimatmuseum
Geborgene Möbel, Ecke Donaustraße und An der kleinen Donau, 1945, StANU, Heimatmuseum
Abtransport von Möbeln, 4. März 1945. StANU, Sammlung Welte
Notdürftig abgestütztes Haus, das vermutlich als Steinbruch benutzt wurde, 1946/47, StANU, Heimatmuseum
Trümmersteine in zerstörter Friedens­kaserne, Ludwigstraße, 1947, StANU, Heimatmuseum
Gestapelte Ruinenziegel in der Donau­straße, 1945, StANU, Heimatmuseum
Ziegelsteine aus Trümmerschutt im LEW-Gebäude von 1954. 2020, StANU

Durch die verheerenden Luftangriffe waren rund zwei Drittel der Gebäudesubstanz und Verkehrswege Neu-Ulms zerstört. Damit waren große Teile der Bevölkerung obdachlos geworden. Notdürftig waren viele Einwohnerinnen und Einwohner in den Ruinen – durch wenige Trümmerteile bewohnbar gemacht – untergekommen oder aufs Land geflohen. Es war also umso wichtiger sich darauf zu konzentrieren, was in den Trümmerbergen und in den teilzerstörten Gebäuden noch verwertbar war.

Funktionsfähige Möbel wurden geborgen, in die vorüber­gehenden Unterkünfte aufs Land gebracht oder ge­tauscht. Beschädigtes wurde zu Brennholz oder Flick­material. Ähnlich verfuhr man auch mit Ziegeln und anderem Baumaterial. Aus den Trümmerbergen wurden nach und nach brauchbare Backsteine und andere Elemente gesammelt, grob gereinigt und gestapelt. Hieraus konnten dann vorläufige und
auch feste Bauten errichtet werden. Unbrauchbares Material wurde beispielsweise dazu verwendet, Bombentrichter zu füllen.

In manch einem Gebäude der Zeit finden sich noch heute Spuren dieser Verwertung. Bahnschienen wurden zu Fenster- oder Türstürzen, Bunkertüren zu Kellereingängen. Auch in den späteren Jahren des Wiederaufbaus kam Kriegsschutt zum Einsatz: Er wurde gemahlen und mit Zement zu neuen Ziegeln oder Baumaterial verar­beitet.