Stunde Null

Zerstörung und Not

Die zerstörte Wallstraße. Im fernen Hintergrund die Kirche St. Georg in Ulm am alten Friedhof, 1945, StANU, Heimatmuseum
Die Gastwirtschaft „Zum Grünen Kranz“ in der Wilhelmstraße 22, 1945, StANU, Heimatmuseum
Ein Mann mit Kind bei der Rettung aus dem Luftschutzkeller, 1945, StANU, Mangold
Die Feuerwehr beim Einstieg in die brennende Marienapotheke, 1945, StANU, Heimatmuseum
Männer, Frauen und Kinder standen vor den Aushängen an den Mauern und suchten nach Arbeit, Essen und Möbeln, 1945, StANU, Mangold

„Leben tun wir noch, aber haben tun wir nichts mehr.“
Mutter von Anne Gerstlauer

Achtzig Prozent der Stadt waren zerstört. Schutt und Brandherde überall. Die Feuerwehren erreichten wegen der Bombentrichter nicht alle Häuser und die Menschen bildeten Ketten, um Wasser mit Eimern, Schüsseln und verschiedenen Behältnissen von der Donau
zu den Bränden weiterzureichen. In der Zentralschule wurde ein Notquartier errichtet. Auch in den Bunkern wurden Lager eingerichtet.

Die so genannte „Stunde Null“ war weit mehr als eine Zeit des Staubabklopfens und weiter zur Tagesordnung übergehen. Es war eine Zeit der tiefsten Not, in der die Menschen traumatisiert von ihren Erlebnissen und ohne Perspektiven mit dem Rest ihres Lebensmutes um die Wiederherstellung der mindesten Lebens-bedingungen wie Essen, Unterkunft, Arbeit und nicht zuletzt ihre Gesundheit kämpfen mussten. Über 9.000 Obdachlose wurden in die umliegenden Orte verteilt. Jeder, der ein Zimmer übrig hatte, musste kriegsgeschädigte Menschen aufnehmen. Jeden Tag fuhren sie zurück zu ihren unbewohnbaren Häusern, um zu retten, was noch brauchbar war. In Listen, unter anderem vom Roten Kreuz, suchten sie täglich nach Lebenszeichen ihrer Familien und ihrer Freunde.

Die amerikanischen Truppen zogen erst am 23. April 1945 in Ulm und zwei Tage darauf in Neu-Ulm ein.

Angriffe

1. und 4. März 1945

Bomben über Neu-Ulm. Sie zerstören ca. 80 Prozent der Innenstadt. Neu-Ulm ist damit eine der am stärksten zerstörten Städte in Bayern, 1. oder 4. März 1945. StaNU, Mangold
Feuer schlagen aus den Fenstern in der Augsburgerstraße. Die Menschen versuchen zu retten, was noch brauchbar ist. 4. März 1945, StANU
Kurz nach dem Angriff stehen die Rauchschwaden vor der Bäckerei Beck in der Friedensstraße in der Luft. 4. März 1945, StANU, Heimatmuseum
Das zerstörte Gebäude der Kolonialwarenhandlung Thumm in der Kasernstraße.Sommer 1945, StANU, Heimatmuseum
Foto der alliierten Luftaufklärer. Es diente zur Prüfung der Schäden und zur Vorbereitung auf den nächsten Angriff. 2. März 1945, StANU

„Luftgefahr 15. Fliegeralarm. […] Das Brummen der Bomber wurde immer lauter. Eine Sprengbombe hatte das für bomben-sicher gehaltene Festungsgewölbe durchschlagen. […] Der
innere Stadtkern von Neu-Ulm war nicht wieder zu erkennen.“
August Welte

Der zweite Großangriff am 1. März 1945 hatte für Neu-Ulm die gravierendsten Folgen. Etwa 420 Flugzeuge warfen zwischen
13.15 Uhr und 14 Uhr 1.950 Sprengbomben, 100.000 Stabbrand-bomben, 10 Minenbomben und 1.100 Flüssigbrandbomben ab. Eine Luftaufnahme vom 2. März zeigt die Zerstörung durch die Bomben
des Angriffs. Nur noch wenige Dächer sind intakt. Man sieht in das Innere der Häuser, erkennt sogar die Raumauf­teilung. Die Stadt ist übersäht mit Kratern.

„[…] denn man wusste ja schon, sonntags oder donnerstags kommen sie – hat mer drauf gehen können. Dadurch, dass die Erde immer noch gefroren war, war der Aufprall viel stärker. Der Luftdruck hat unwahrscheinlich geschafft – Hausdächer wurden abgeworfen, im Keller kam der Luftdruck durch die Eisen- und Kellertüren durch.“
Desdemona Buck

An diesem Tag verloren 472 Menschen ihr Leben, 181 wurden verletzt und 17.500 Menschen wurden obdachlos.

Wie das Luftaufklärerfoto zeigt, war die Friedenskaserne vorerst
noch intakt. Drei Tage später ereilte die Stadt der nächste Angriff. Mit weniger Flugzeugen, aber nur unwesentlich weniger Munition. Nochmal 154 Tote, 321 Ver­letzte und 11.500 Obdachlose.
Diesen Großangriffen folgten bis zum Einmarsch der Alliierten am
24. April 1945 sechs weitere gezielte Angriffe durch Jagdbomber auf den Bahnhof, die Eisenbahnbrücke und Offenhausen.

Brückenstraße

Wiederaufbau

Häuserzeile um 1930 mit Gänstorbrücke, mit deren Bau 1911 als erste Brücke an dieser Stelle der östliche Teil Neu-Ulms sich zu entwickeln begann. Filiale von Karl Gaissmaier am Eckhaus. StANU
Baugesuch des mittleren Gebäudes, Brückenstraße 2, 1924, StANU
Teils abgebrochene Ruinen und Wieder­aufbau der Eckhäuser, ca. 1947, StANU, Sammlung Mangold
Ansicht der zerstörten Häuserzeile nach den Luftangriffen, 1945, StANU
Provisorische Gänstorbrücke, dahinter fertige Rohbauten, 1950, StaNU, Sammlung Mangold
Häuserzeile und Gänstorbrücke mit Flak-Aufbauten, ca. 1941, StANU
Wiederaufgebaute Gebäude, linkes Eckhaus noch im Rohbau, Karl Gaissmaier jetzt im südlichen Gebäude, 1950, StANU, Sammlung Mangold
Figur über dem Eingang des mittleren Gebäudes Brückenstraße 2 Kunstraum Putte.
Ansicht 2019, Oleg Kuchar

Die drei Häuser an der Gänstorbrücke mit den charakteristischen Giebeln wurden nahezu zeitgleich 1924 / 25 errichtet. Das mittlere Haus verfügte damals im Erd­geschoss weder über Ladengeschäfte noch Arkaden. Spätestens 1941 erhält das nördliche Eckhaus eine
Flakstellung auf dem Dach.

Bei den Luftangriffen auf Neu-Ulm und Ulm wurde die gesamte Häuserzeile stark beschädigt. Die Dächer brannten nieder, die Geschossdecken stürzten ein, Teile der Außenmauern waren zerstört.

Nach dem Krieg wurden als erstes die beiden Eckgebäude bis 1948 aus Kriegstrümmersteinen wieder errichtet. Beim mittleren Gebäude trug man die vordere Gebäudehälfte vollständig ab, die hinteren Räume blieben als Rohbau stehen.

Beim Wiederaufbau erhielt das Mittelhaus im Erdgeschoss zwei Geschäftslokale, und bekam damit erst seine heutigen, charakteristischen Rundbogenfenster. Verkaufsflächen waren wichtig, da zahlreiche Einzelhändler seit dem Krieg in temporären Verkaufsständen und Provisorien unter­gebracht waren und hier
nun eine Bleibe finden konnten.
1950 ist der Wiederaufbau des mittleren Gebäudes end­gültig abgeschlossen, wie das Datum über dem Eingang belegt. Untergebracht waren ein Buch- und Zeitungsladen sowie ein Optiker, was bis heute an der dortigen Putte mit Brille und Buch ablesbar ist. Heute befindet sich im Haus, nach dieser Figur benannt, der Kunstraum Putte e.V.

St. Johann Baptist

Blick von Nordosten auf die teilzerstörte Hauptfassade, 1945 StANU, Heimatmuseum
Blick vom beschädigten Dachstuhl der Kirche aus nach Ulm, 1947 StANU, Heimatmuseum
Blick von Nordwesten. Gut zu erkennen ist an der Ruine im Vordergrund noch der betonierte Splitter- und Trümmerschutz vor dem Luftschutzkeller aus Beton, 1947, StANU, Heimatmuseum
Blick über Johannesplatz auf noch brennende Ruinen in der Augsburger Straße, 1. oder 4. März 1945 StANU, Heimatmuseum
Beschädigter Löwe, der über einige Umwege in der Nachkriegszeit, die ihn zum Spielzeug, Wäscheständer machten, seinen Weg wieder auf den Vorplatz finden konnte. 1945 StANU, Sammlung Mangold
Neue Christusfigur aus Tuffstein bei der Anlieferung zur Montage, 2019 StNU
Aufstellen der neuen Christusfigur, 2019 StANU

Die Kirche St. Johann Baptist wurde 1857 zunächst als katholische Garnisonskirche errichtet und zwischen 1922 und 1926 nach Plänen Dominikus Böhms erweitert und in eine expressionistische Formensprache überführt.

Das Gotteshaus erlitt starke Schäden während der Luftangriffe 1945. Vor allem das Querhaus der Hauptfassade wurde auf Ost- und Westseite nahezu zerstört. Ferner wurde das Dach über dem Kirchenschiff stark beschädigt. Die steinerne Christusfigur der Kreuzigungsgruppe hoch oben über dem Eingang wurde, vermutlich von Druckwellen, vom Gebäude gestoßen. Auch der Markuslöwe (1926, Fritz Müller) vor der Kirche verlor einen Teil seiner Schwingen.

Nach dem Krieg wurde die Kirche in ihrer alten Form wieder aufgebaut. Einen letzten Schlussstein des Wiederaufbaus erfuhr das Gebäude erst im Herbst 2019: Nach dem Krieg war die Christusfigur nur durch einen Betonabguss ersetzt worden, der mittlerweile marode geworden war. Bei der Gesamtsanierung wurde jetzt wieder ein originalgetreuer Christus aus Muschelkalk in die Mitte der historischen Figurengruppe eingesetzt, wodurch die letzte Kriegswunde geschlossen werden konnte.

Angriffe

10. September 1944

Zerstörte Häuser „An der kleinen Donau“, 1944, StANU, Heimatmuseum
Die Ruine der Löwenbrauerei von der Donauinsel aus gesehen, 1946, StANU
Karte mit den Treffern in Neu-Ulm und Umgebung vom 10. September 1944, StANU
Gasthaus Bavaria „An der kleinen Donau“, 1944, StANU, Heimatmuseum
Gewerbekarten der Löwenbrauerei, StANU
Die Geschichte der Löwenbrauerei geht bis 1815 zurück. Das Traditionsunter­nehmen wurde beim Angriff nahezu vollständig zerstört, 1944, StANU
Leben „An der kleinen Donau“ vor der Zerstörung: Metzgerei Hans Otto und Lebensmittelgeschäft Eugen Kutter, 1942 StANU, Heimatmuseum

„Sonntagvormittag. Fliegeralarm. Feindflugzeuge im Anflug auf unsere Stadt. […] Dachstuhlbrände in der Augsburgerstraße, Maximilianstraße, Marien­straße und an der kleinen Donau. Auch die Real­schule brennt.“
August Welte

Insgesamt 180 Flugzeuge griffen Ulm und Neu-Ulm an. Zwischen
11.15 Uhr und 11.40 Uhr fielen 900 Sprengbomben und 8.700 Brandbomben auf beide Städte. Die Hauptangriffsziele waren die Wehrmachtsanlagen in Neu-Ulm und die Reichsbahnanlagen in Ulm.

Neben den militärisch relevanten Bauten trafen die Angriffe in
Neu-Ulm außerdem noch die Löwenbrauerei, das Rathaus, die Orts-krankenkasse und die Realschule. 150 Gebäude wurden total zerstört, 393 schwer bis leicht. 36 Tote und 61 Verletzte waren zu beklagen
und ca. 3.000 Menschen waren obdachlos geworden und mussten umquartiert werden.

Akribisch markierte man die Treffer dieses Tages auf einer Karte. Darauf ebenfalls vermerkt, die exakte Anzahl und Art der Munition,
die auf Neu-Ulm fielen: 510 Spreng­bomben und 8.120 Brandbomben. Die Karte zeigt, wie gezielt die Bomben abgeworfen wurden und
wo die Zentren des Angriffs lagen: Neu-Ulm Zentrum mit den heutigen Industriegebieten, Offenhausen und der Striebelhof.

Kriegsjahre

Stadt Athen Gewerbeausstellung, 1942, StANU

1942 Stadt Athen Gewerbeausstellung
Nationalsozialistische Propaganda­ausstellung im Hotel „Stadt Athen“ in der Augsburgerstraße 50 (heute Nähe Augsburgertorplatz).
StANU

Aufnahme vom Münsterturm Richtung Neu-Ulm vor der Zerstörung. StANU

Aufnahme vom Münsterturm Richtung Neu-Ulm
Im Bildzentrum die Häuser der Insel vor der Zerstörung, darüber die Petruskirche. Am oberen rechten Bildrand ist der Exerzierplatz mit der Ulanenlinde zu sehen. Heute befinden sich dort das Wiley und die Hochschule Neu-Ulm, die nach wie vor von den Kastanien­reihen umrandet sind.
StANU

Am 4. März 1945 wurde die Friedenskaserne dem Erdboden gleichgemacht. Lediglich das imposante Portal blieb stehen und wurde erst später abgetragen. StANU

Portal Friedenskaserne
Die Friedenskaserne wurde beim Angriff vom 1. März nicht getroffen. Um so stärker konzentrierten sich die Bombenabwürfe drei Tage später auf eben dieses Areal an der Maximilianstraße und den Bahnhof. Die Kaserne wurde dem Erdboden gleichgemacht. Lediglich das imposante Portal blieb stehen und wurde erst später abgetragen.
StANU

Meldekarte Jakob Lohrmann, Totalbomben­geschädigter, StANU, historische Meldekartei
Meldekarte Jakob Lohrmann, Totalbomben­geschädigter. StANU, historische Meldekartei

Jakob Lohrmann, Totalbomben­geschädigter
Im Bestand des Stadtarchivs Neu-Ulm befindet sich eine unscheinbare, aber sehr aussagekräftige Meldekarte. Nur wenige Angaben sind darauf zu finden. Sie erzählen die schicksalhafte Geschichte von Jakob Lohrmann. Er wurde 1865 in Bermaringen geboren und lebte während des Krieges in Ulm in der Gresenhofgasse 5. Nach dem Angriff auf Ulm am 17. Dezember 1944, bei dem sein Heim zerstört wurde, zog er am 11. Januar 1945 im Alter von 80 Jahren nach Neu-Ulm in die Bahnhofstraße zur Unter­­miete bei Karl Buck. Dort starb Lohrmann an den Verletzungen durch den Angriff vom 1. März.
StANU, historische Meldekartei

Ulmer Jungvolk, Augsburger Straße, ca. 1940
Das Ulmer/Neu-Ulmer Jungvolk bei einer Parade auf der Augsburger Straße (damals Hindenburgstraße). Am linken Bildrand eine Filiale des Lebensmittelgroßbetriebs Karl Gaissmaier an der Ecke zur Donaustraße. Am rechten oberen Bildrand ist noch die Kreuzigungsgruppe über dem Portal von St. Johann Baptist erkennbar. Rechts das Schokoladen- und Pralinengeschäft von Elise Daub und das Elektroinstallationsbüro von Hermann Steinle.
StANU, Welte

Ulmer Jungvolk, Augsburger Straße, ca. 1940, StANU, Welte

Kriegsjahre

Poterne 8

Blick vom Dach der Poterne 8 auf die Schützenstraße Richtung Innenstadt, 1951, StANU
Die Rückseite der Poterne von der heutigen Dammstraße aus gesehen. Das Wall­meisterhaus links existiert nicht mehr. Hier führt heute die Schützenstraße entlang, um 1900, StANU
Bauplan der Rettungsstelle aus dem Jahr 1938, StANU
Hinweisschild zu den nächstgelegenen Luftschutzräumen, 1943, StANU
Das rote Kreuz auf der Poterne an der Schützenstraße, 2020, StANU
Schriftzug „Rettungsstelle“ am Eingang zur Poterne, 2020, StANU

„In der Poterne 8 war unser Bunker. Wir wohnten als Bereitschaft von etwa 8 Mann dort im Bunker. Tagsüber haben wir gearbeitet und nachts wachten wir im Bunker. Auf den Betrieb und auf den Bunker gingen Brandbomben nieder. Zuletzt war im Bunker noch eine Flakbatterie und dadurch bekam dieser Bunker auch etwas ab.“
Josef Keller

Eine Poterne ist ein überbauter Gang in einer Festung zum gedeckten Übergang von Bereichen innerhalb der Festung, zu Anlagen vor dem Wall oder zum Zweck eines Ausfalls. Das langgestreckte Bauwerk aus dem 19. Jahrhundert an der Schützenstraße wurde im Zweiten Weltkrieg zur Rettungsstelle umfunktioniert. Ein Grundrissplan aus dem Jahr 1938 zeigt den Aufbau der Rettungsstelle. Sehr systematisch wurden die Patientinnen und Patienten, getrennt nach Frauen und Männern, vom Zugang über den Vorhof auf der linken Seite durch die Gasschleuse in die Räume geführt. Ankleideräume und Duschräume (Brause) sind im Plan gelb umrandet. In den sechs darauf folgenden Räumen befanden sich Liege- und Warteräume sowie der Behandlungsraum. In den beiden diagonal stehenden Räumen in der Spitze rechts befanden sich ein Warteraum für den Abtransport (oben) und die Schleuse zum Ausgang (unten).

„Ein rotes Kreuz wurde auf das Dach des Krankenhauses und auf die Poterne an der Schützenstraße gemalt.“
August Welte

Dieses rote Kreuz ist auch heute noch zu sehen. Ebenso ist in der Laibung des Einganges der Schriftzug „Rettungsstelle“ noch gut lesbar. Im Plan ist ein Treppenaufgang eingezeichnet. Vermutlich befand sich im Obergeschoss bzw. auf dem Dach die Flakbatterie von der Josef Keller im Zitat oben spricht. Ein Foto aus dem Jahr 1943 zeigt ein Hinweisschild mit den nächstgelegenen öffentlichen Luftschutzräumen in der Poterne 8 und dem evangelischen Kirchplatz. Neu-Ulm hatte insgesamt vier öffentliche Luftschutzräume. Die zwei anderen befanden sich unter dem heutigen Rathausplatz und in der Kasernstraße, Ecke Maximilianstraße.

Kriegsjahre

Luftschutz

Jeder war zur Durchführung der Selbstschutzmaßnahmen verpflichtet und musste sich dem Reichsluftschutzbund unterordnen, 1945, StANU
Ein kleines Mädchen beim Abfüllen von Löschsand, 1944 StANU
Am Tag der Wehrmacht 1942 präsentiert das Militär stolz zwei Flugabwehrkanonen auf dem Petrusplatz. StANU
Flakstellungen auf der Gänstorbrücke und auf dem Gebäude der Firma Karl Gaiss­maier, 1944, StANU, Sammlung Welte
Auflistung der Aufenthalte im Luftschutzkeller bei Fliegeralarm in einem Pfuhler Luftschutzkeller, StANU, Horst Hörger
Luftschutzapotheke, 2016, Edwin Scharff Museum, Stadtgeschichtliche Sammlung. Foto Buhl.
In der Tagespresse wurde obligatorisch in jeder Ausgabe auf die Verdunklungszeiten hingewiesen, 1944, Quelle unbekannt
Splitterschutztüren in der Schützenstraße, 2020, StANU
Hinweispfeile auf den Luftschutzkeller in der Luitpoldstraße. Ein weiterer Pfeil befindet sich an der Ecke des heutigen Brickstone Hostels in der Schützenstraße. Er weist den Weg in den Luftschutzkeller auf der Rückseite des Gebäudes, 2020, StANU
Luftschutzgitter der Firma Mannesmann, 2020, StANU

„Krieg. Verdunkelung. Lebensmittelkarten. Siegesmeldungen.
Der Luftschutz wird neu organisiert. Auf dem Schwal beim Ehrenmal geht ein Flak­geschütz in Stellung. Auf mehreren Häusern wurden Flak­stände montiert und sogar auf der neuen Donau­brücke. Rechts an der Memminger Straße nach Ludwigsfeld bezog eine Batterie Flak 8,8 Stellung.“
August Welte

Ulm und Neu-Ulm bildeten einen gemeinsamen Luftschutzort I. Ordnung. Die Bundesfestung und die geo­grafische Lage der Stadt mit einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt machten die beiden Städte zu einem besonders gefährdeten Gebiet. Neu-Ulm war im Gesamtgefüge das Luftschutzrevier 4. Die Befehlsstelle befand sich im Rathaus in der Maximilianstraße 2 und unterstand der Befehlszentrale im Neuen Bau in Ulm.

Das Militär war für den aktiven Luftschutz verantwortlich. Hierzu zählte die Luftraumüberwachung mittels Radar, Beobachtern und Flugabwehrkanonen. Auf dem Gebäude der Firma Gaissmaier an der Gänstorbrücke befand sich (neben zahlreicher weiterer Standorte) auf dem Dach ein Geschützstand mit einer Flugabwehrkanone.

Die Spuren dieser Maßnahmen sind auch heute noch in den Gebäuden und Straßen sichtbar. Pfeile unter einigen Fenstern in der Luitpold-straße, Splitterschutztüren in der Schützenstraße und Lüftungsgitter auf den Gehwegen sind noch Zeugnisse der Infrastruktur des Luftschutzes.

Der passive Luftschutz gewährleistete den Bau von Bunkern, die Installation von Sirenen und die Abdeckung von Lichtschächten und Fenstern der Luftschutzkeller. Luftschutzverordnungen schrieben Verhaltensmaßregeln während eines Angriffs vor. Wie bei der Beschaffung wichtiger Rohstoffe, so ist auch die Beteiligung der Menschen in einer flächendeckenden Durchführung von zentraler Bedeutung.

Das Abfüllen von Löschsand, die Ausstattung der Bunker mit Decken und einer Luftschutzapotheke und der Ausbau der unterirdischen Fluchtstrukturen waren Aufgaben der Bevölkerung.

Kriegsjahre

Material für die Front

Neben Sachspenden wurde auch Geld gesammelt, 1942, StANU, Heimatmuseum
Unter dem Porträt von Adolf Hitler arbei­teten die Beschäftigten des Betriebes unter Hochdruck an der Fertigung von Materialien für die Wehrmacht, 1942, StANU, Heimatmuseum
Soldaten verluden die vom Winterhilfsdienst gesammelten Materialien in einen Waggon zum Weitertransport an die Ostfront, 1942 StANU, Heimatmuseum
1942 wurden die Bronze-Löwen des Kriegerdenkmals für die gefallenen Soldaten des Deutsch-Französischen Krieges von 1870 / 71 abgenommen. Sie wurden zusam­men mit den übrigen gesammelten Metallen (auch denen aus Ulm) zum Sammelplatz am Bahnhof gebracht, um zu den Fabriken der Rüstungsindustrie nach Hamburg transportiert zu werden, 1942 StANU, Heimatmuseum
Frauen und Mädchen verarbeiteten die Spinnstoffe zu Mützen, Handschuhen und Decken StANU, Welte

„Auch du! Der Feind streckt seine Hände nach deinem Hab und Gut. Hilf mit durch deine Spende, daß er’s vergeblich tut“
Ulmer Tagblatt, 22.1.1945

Rohstoffe waren von Kriegsbeginn an knapp. Für die eisigen Wintermonate an der Ostfront sammelte der Bund Deutscher Mädel unter der Parole „Dein Soldat friert“ für das Winterhilfswerk Spinnstoffe, aus denen die Frauen Mützen, Handschuhe und Decken strickten. Mit dem Güterzug wurden die wärmenden Wollsachen dann an die Ostfront nach Russland gefahren. Auf dem Waggon stand
„Ein warmer Gruß an die Ostfront aus Neu-Ulm“.

Die Schülerinnen und Schüler sammelten Materialien wie Papier, Metalle, Alteisen und Knochen. Aus letzterem konnte unter anderem Leim hergestellt werden. Als Anreiz für die Teilnahme an den Sammelaktionen befreite man die Kinder von ihren Schulaufgaben. Auch die sogenannten „Nahrungswerte“ aus Wald und Flur wurden gesammelt: Heil- und Teepflanzen, Pilze, Wildfrüchte und nicht zuletzt Holz. Ganze Schulklassen waren zum Sammeln des „Leseholzes“ verpflichtet. Selbst die Küchenabfälle eines jeden Haushaltes sammelte man für das Ernährungshilfswerk im „Saukübele“ zur Schweinemast.

Unter Schlagworten wie „Volksopfer“ oder „Liebesgaben“ und mit Aktionen wie der Reichsstraßensammlung, der Eintopfsonntage oder Opfersonntage mobilisierte das Militär die Bevölkerung zur Abgabe ihres Hab und Guts.

Firmen waren ihrem Gewerbe gemäß zur Herstellung von kriegs-notwendigem Material verpflichtet, Schüler sammelten alle Arten von Materialien. Kirchturmglocken und Denkmäler aus Metall demontierte man um sie einzuschmelzen. Der Neu-Ulmer Bahnhof war Sammelpunkt für Ulm und Neu-Ulm.

Der Bund Deutscher Mädel sammelte für das Winterhilfswerk Kleidung und Spinnstoffe für die Soldaten, 1943, StANU, Heimatmuseum
Behelfssammelwagen mit der Aufschrift „Dein Soldat friert“, 1941, StANU, Mangold

ENDE//ANFANG

Neu-Ulm 1945

„Trümmerfeld mit freiem Durchblick vom Bahnhof über die Donau bis zur Ruine der Dreifaltigkeitskirche“
Ulrich Seitz

Es war ein Anfang nach einem Ende, das nicht hätte zerstörerischer sein können. Jedes Leben hing, so es denn am Kriegsende noch vorhanden war, am seidenen Faden. 9.000 Neu-Ulmerinnen und Neu-Ulmer verloren ihre Heimat, hatten nichts mehr. Die Stadt: Skelettierte Häuser, Bombentrichter und Schuttberge. Die Menschen: obdachlos, hungrig und mit skelettierter Seele. Diese Zeit liegt nun 75 Jahre zurück. Diese Zeit ist der Grundstein für die Stadt Neu-Ulm, wie sie heute ist. Und diese Zeit ist auch heute noch ablesbar. Ein dreiviertel Jahrhundert ist vergangen und in der Auseinander­setzung mit dem was war, wird unweigerlich klar, dass es im Heute noch wirkt.