Stunde Null

Versorgung und Flüchtlinge

Im ehemaligen Offizierskasino an der Donau wurden Heimatvertriebene u.a. untergebracht. Weitere Lager waren in Senden und in Illerberg, 1950, StANU
Im Winter 1945 machten sich Flüchtlinge aus Ostpreußen Richtung Westen nach Deutschland auf den Weg. akg-images
Menschen mit Leiterwägen vor dem Heereszeugamt in Offenhausen. Der Bestand linderte die schlechte Versorgungslage, 1945, StANU
Nicht nur Nahrung war für die Menschen hilfreich. Auch Fahrräder und Einrichtungsgegenstände wurden benötigt, 1945, StANU, J. Brünner
Flüchtlinge mit ihrem nötigsten Hab und Gut. akg-images

Die Nahrungsmittelsituation war in den letzten Wochen des Krieges, wie im restlichen Deutschland auch, sehr angespannt. In Ulm und Neu-Ulm befanden sich aber so genannte Proviantämter des Militärs. Im Ulm stand ein solches am Hauptbahnhof, in Neu-Ulm befand sich das Heereszeugamt im Starkfeld in Offenhausen. Die Bevölkerung begann in den letzten Wochen des Krieges diese Lager und die Güterwaggons zu plündern. Niemand hielt sie auf.

„Beim Heeresverpflegungsamt konnte man sich bedienen. Jeder hat noch so viel herausgeholt und da war wirklich alles da was man so gebraucht hat.“
August Welte

Zur gleichen Zeit begann die Vertreibung der Deutschen aus den Ostgebieten, wie beispielsweise dem Sudeten­land, Schlesien, Ostpreußen und Jugoslawien. 12 Millio­nen Menschen wurden aus ihrer Heimat Richtung Deutschland vertrieben. Etwa 12.000 von ihnen kamen in den Altlandkreis Neu-Ulm. Man brachte sie zunächst im Grenzdurchgangslager in Offenhausen in den Gebäuden des alten Wehrmachtsgeländes im Starkfeld unter. Bezeichnenderweise ist das heute noch existierende Gebäude erneut zu einer Flüchtlings-unterkunft geworden. Danach verlegte man die Heimatvertriebenen zusammen mit den Displaced Persons (DPs) in das Übergangslager im ehemaligen Offizierskasino (bis 2019 Barfüßer Brauerei in der Augsburgerstraße).

Gleichzeitig beschlagnahmte man Häuser und Wohnungen, um für amerikanische Familien Platz zu schaffen. Bei der Ludendorff-Kaserne wurde von US-Truppen ein Gefangenenlager eingerichtet und
50.000 deutsche Landser erhielten hier ihren Entlassungsschein.

Herd- & Inselbrücke

Insel ohne Donaubrücke. Über die Treppe gelangte man zur Donaufähre, 1947, StANU, Heimatmuseum
Behelfssteg an der Kleinen Donau, davor die Baustelle der neuen Inselbrücke, im Hintergrund das Sparkassengebäude in dem sich damals auch das Rathaus befand. 1949, StANU, Heimatmuseum
Zerstörte Herdbrücke, 1945, StANU, Mangold
Inselbrücke nach den Luftangriffen und vor der Sprengung durch die Wehrmacht, nach 4. März und vor 23. April 1945, StANU, Heimatmuseum
Donaufähren-Zugang auf der Ulmer Seite, Blick nach Osten, 1946, StANU, Heimatmuseum
Baustelle der neuen Herdbrücke, 1947, StANU, Mangold
Neue Herdbrücke nach der Eröffnung, die am Schwörmontag 1949 stattfand, 1950, StANU

Die wichtigste Verbindung zwischen den Innenstädten Neu-Ulm und Ulm stellt bis heute der Weg über die Insel dar. Dieser führt von Ulm kommend erst über die Herd- dann über die Inselbrücke. Die Herd-brücke war ursprünglich ein gemauertes, dreibogiges Bauwerk, die Inselbrücke eine Stahlfachwerkkonstruktion. Über beide verlief bis 1945 die Straßenbahn. Die Brücken waren bei den Luftangriffen im März 1945 zwar beschädigt worden, aber noch nutzbar. Erst im April wurden sie dann durch die zurückweichenden deutschen Truppen gesprengt.

Herdbrücke
Um die Verbindung zwischen den Städten, zumindest für den Personen- und Warenverkehr, wieder herzu­stellen, richtete man schnell nach dem Krieg einen Fährbetrieb an Stelle der Herdbrücke ein. Der Zugang auf Neu-Ulmer Seite erfolgte über eine Holztreppe neben dem zerstörten Brückenansatz. Im Jahre 1947 wurde mit dem Bau der neuen, dann freitragenden Spannbeton­brücke nach Plänen von Willy Stör (1905 –1997) begonnen. Die Einweihung der Brücke,
wie auch die der Inselbrücke, fand am Schwörmontag 1949 statt.

Inselbrücke
Nach der Zerstörung konnte, wegen der geringen Spannweite des Übergangs, recht bald aus Dachbalken und weiterem Holz ein Behelfssteg für Fußgänger errichtet werden. Dieser bestand auch weiterhin während des Baus der neuen Brücke, da der Straßenverlauf begradigt und die neue Brücke weiter westlich ihren Platz fand. Die fensterlose Wand vom Haus „Insel 5“ und der davor errichtete kleinere Pavillon zeugen heute noch von dieser Straßenverlegung. Die neue Brücke wurde als Beton­brücke errichtet und mit wiederverwendeten Festungsmauersteinen verkleidet.

Gänstorbrücke

Notbrücke aus Holz mit Bau-Seilbahn und Gleisen für Trümmer und Baumaterial, vermutlich. Blick auf Neu-Ulm mit dem Gänstorturm der im Krieg sein Dach ver­loren hatte, 1946, StANU, Heimatmuseum
Alte Gänstorbrücke nach Beschädigung durch Luftangriffe, aber noch vor Sprengung durch deutsche Truppen, 1945, StANU, Mangold
Links die noch stehende provisorische Brücke mit Oberleitungsbus, rechts bereits die im Bau befindliche östliche Hälfte der neuen Spannbetonbrücke, 1949, StANU
Notbrücke aus Holz, im Hintergrund die beschädigte Häuserzeile an der Brückenstraße, 1945, StANU, Welte
Neue Gänstorbrücke und wiederauf­gebaute Gebäude auf Neu-Ulmer Seite, 1954, StANU
Fertiggestellte neue Gänstorbrücke, 1952, StANU, Sammlung Metz

Ihr Schicksal teilt die Gänstorbrücke mit den anderen Donaubrücken der Doppelstadt: Durch die Luftangriffe der Alliierten wurde das 1912 eingeweihte Bauwerk zwar stark beschädigt, aber schlussendlich erst von der zurück­weichenden Wehrmacht am 24. April gesprengt.

1945 /1946 errichteten amerikanische Pioniere eine pro­visorische Brücke, die auch für den Lastenverkehr nutzbar war, über die knapp 80 Meter breite Donau.

Um eine neue, dauerhafte Brücke zu bauen, richteten beide Städte gemeinsam 1949 einen Wettbewerb aus. Der daraus resultierende Siegerentwurf stammt vom Bauingenieur Ulrich Finsterwalder
(1897–1988). Der Bau der neuen Brücke geschah in zwei Bauphasen unter Verwendung der Widerlager des Vorgängerbaus. Zunächst wurden zwei von vier Fahrbahnen errichtet, so dass der Verkehr schon über das neue Bauwerk fahren konnte. Nach deren Fertigstellung verschob man das Schalungs- (oder auch Lehr-) Gerüst seitlich, so dass es sich auch für die zweite Brückenhälfte nutzen ließ.

Durch diese effiziente Bauweise konnte die Brücke bereits am
10. Dezember 1950 eingeweiht werden. Zur feierlichen Verkehrs- übergabe trieben drei als Gänsehirten verkleidete Bauarbeiter
eine Schar Gänse über die Brücke.

Stunde Null

Infrastruktur

Wilhelmstraße als Pfad zwischen den Trümmern, 1945, StANU, Heimatmuseum
Grob geräumte Straße beim Pfaffenbau, 1946, StANU, Heimatmuseum
Zerstörte Waggons im Bahnhofsareal, 1945, StANU, Mangold
Stapeln der verwertbaren Trümmersteine beim Bahnbetriebswerk, 1945, StANU, Mangold
Aufräumarbeiten im Bahnhofsareal und Bahnbetriebswerk, 1945, StANU, Mangold

Bei den Angriffen im März wurde die innerstädtische Infrastruktur nahezu vernichtet. Die letzten großen Zerstörungen ihrer Verkehrswege ereilten die Stadt noch am 5. April bei einem gezielten Angriff mit Bordwaffen auf das Bahnhofsareal. Die Straßen waren schon seit März größtenteils durch die Schuttberge der Häuser blockiert, Strom- und Fernmeldeleitungen, Wasser- und Abwasserrohre ebenfalls. Energie- und Wasserver­sorgung waren damit nicht mehr möglich. Bahngleise wurden durch die Luftangriffe unbenutzbar und das so genannte „fahrende Material“ mitsamt den Lok­schuppen und Bahnhofsgebäuden vernichtet.

Zunächst konnte durch das Abtransportieren von Teilen der Schuttberge ein erstes, nur fußläufig zu nutzendes Wegenetz durch die Innenstadt wieder hergestellt werden. Teils verliefen die Pfade auch über Ruinenberge oder durch zerstörte Gebäude. Allmählich konnten diese Wege auch wieder mit Fahrzeugen genutzt werden, jedoch stark reglementiert: Erlaubt waren Fahrten nur zwischen 5 Uhr morgens und 22.30 Uhr, außerdem hatten Fahrzeuge der Alliierten immer Vorfahrt. Um den Materialtransport zu sichern befreite man mit großer Priorität die Gleisanlagen von Schutt und aus vorhandenem Material schaffte man wieder ein zusammen­hängendes Schienennetz.

Stunde Null

Was ist noch brauchbar?

Insel mit Stapel Trümmersteine, provisorischer Donausteg, 1947, StANU, Heimatmuseum
Geborgene Möbel, Ecke Donaustraße und An der kleinen Donau, 1945, StANU, Heimatmuseum
Abtransport von Möbeln, 4. März 1945. StANU, Sammlung Welte
Notdürftig abgestütztes Haus, das vermutlich als Steinbruch benutzt wurde, 1946/47, StANU, Heimatmuseum
Trümmersteine in zerstörter Friedens­kaserne, Ludwigstraße, 1947, StANU, Heimatmuseum
Gestapelte Ruinenziegel in der Donau­straße, 1945, StANU, Heimatmuseum
Ziegelsteine aus Trümmerschutt im LEW-Gebäude von 1954. 2020, StANU

Durch die verheerenden Luftangriffe waren rund zwei Drittel der Gebäudesubstanz und Verkehrswege Neu-Ulms zerstört. Damit waren große Teile der Bevölkerung obdachlos geworden. Notdürftig waren viele Einwohnerinnen und Einwohner in den Ruinen – durch wenige Trümmerteile bewohnbar gemacht – untergekommen oder aufs Land geflohen. Es war also umso wichtiger sich darauf zu konzentrieren, was in den Trümmerbergen und in den teilzerstörten Gebäuden noch verwertbar war.

Funktionsfähige Möbel wurden geborgen, in die vorüber­gehenden Unterkünfte aufs Land gebracht oder ge­tauscht. Beschädigtes wurde zu Brennholz oder Flick­material. Ähnlich verfuhr man auch mit Ziegeln und anderem Baumaterial. Aus den Trümmerbergen wurden nach und nach brauchbare Backsteine und andere Elemente gesammelt, grob gereinigt und gestapelt. Hieraus konnten dann vorläufige und
auch feste Bauten errichtet werden. Unbrauchbares Material wurde beispielsweise dazu verwendet, Bombentrichter zu füllen.

In manch einem Gebäude der Zeit finden sich noch heute Spuren dieser Verwertung. Bahnschienen wurden zu Fenster- oder Türstürzen, Bunkertüren zu Kellereingängen. Auch in den späteren Jahren des Wiederaufbaus kam Kriegsschutt zum Einsatz: Er wurde gemahlen und mit Zement zu neuen Ziegeln oder Baumaterial verar­beitet.